Auf die Obstbäume in der Orangerie des Würzburger Residenzgartens scheint die Sonne, als ich hier gehe, gerade warm genug, den Mantel wegzulassen. So wie es weiter vorne am steinernen Eingangstor zum Residenzgarten heisst: “Die Sonne scheint heute wieder”. Die prunkvollen Gitter von Johann Georg Oegg haben den Krieg irgendwie überstanden. Die Residenz nicht. Jedenfalls nicht so, wie sie war. Ich denke: Oder eben doch, weil: Ist ein Ding dasselbe wenn es wiedererbaut wurde? Ist der Kern das Wahre an einem Ding? Oder die äußere Hülle? Und besonders wahr dann, wenn der Moosbewuchs darauf uns die Zeitlichkeit des Dings darunter vor Augen hält?Der Mensch, so sagt es doch die Wissenschaft, ist sieben Jahre lang derjenige, als der er geboren wurde. Dann spätestens haben sich alle Zellen in seinem Körper ausgetauscht gegen neue. Aber der Mensch hat ja sowieso keine Zeit und ist immer bemüht, Bewuchs von sich fernzuhalten, der sagen könnte, wo überall er schon gelegen oder gestanden haben mag. Seine Seele, denkt er, wird eines Tages erst recht frei von allem sein und davon fliegen.
Als Seelenlose also haben manche den großen Krieg überstanden und sagen nur noch dies: Seht, eure Erinnerung trügt nicht wenn auch ihr mit Schaudern daran zurückdenkt. Als die Feuerwalze kam, von der die Ahnen den Jungen berichten, wie sie Würzburg, die Reiche, verschlang, blickten vielleicht ihre Augen, glühten vielleicht ihre Leiber in den Flammen. Darum stehen sie jetzt hinter Glas. Zu wertvoll die Erinnerung, sie noch einmal der Zeit auszusetzen.
Bräche man sie nun auf, die Schale, worauf der Rost der Zeit wächst. Was hätte man? Worauf blickte man? Was ist der Kern eines solchen Dings? Bruchkanten mit schimmerndem Perlmutt besetzt? Staubige Schichten von glattem schwarzem Schiefer? Und nähme man den Abdruck per 3d-Scan und rekonstruierte das Ding. Aus Plastik, aus Marmor, aus Bronze. Was hätte man? Und ließe man zweihundert Jahre vergehen, die Ereignisse ihren Lauf nehmen. Die Zeit darüberwachsen über das Ding. Was hätte man? Vielleicht dann endlich wieder die Gegenwart in bergender Erinnerung verstaut? Der ertragsreichste und zugleich wohl schönste Zuschnitt für die Krone eines Obstbaums ist eine Kegelform.